BürgerEnergie-Infos 01.04.2021

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BürgerEnergie-Info 01.04.2021

Liebe Mitglieder und Interessenten der BürgerEnergie Jena,

10 Jahre sind schnell vergangen: am 30. März 2011 wurde unsere Genossenschaft gegründet! Aus diesem Anlass haben wir Erinnerungen in Interviewform zusammengetragen und laden Sie ein, mit uns zurückzublicken.

„Bürger kaufen die Stadtwerke“. So titelte – etwas vollmundig - der erste Flyer der BürgerEnergie Jena eG. Auf diesem Flyer sind unter „Kontakt“ 3 Personen genannt: Gunther Lorenz (GL), Martin Berger (MB), Reinhard Guthke (RG). Alle 3 sind noch heute als Vorstand bzw. Aufsichtsräte der Genossenschaft aktiv. Alle 3 sollen nach 10 Jahren zu Wort kommen.

Wie kam es zur Gründung der BürgerEnergie Jena?

MB: 20 Jahre nach Gründung der Stadtwerke bestand die Möglichkeit der sogenannten „Call-Option“, d.h. die Möglichkeit des Rückkaufs von Anteilen privater Gesellschafter. Im Wissen um diese Möglichkeit war ich mit einigen Mitstreitern wie Till Noack und Denis Peisker schon 2008 auf mögliche Unterstützer im Stadtrat und bei den Stadtwerken zugegangen.

Gab es Widerstände?

GL: Wir sahen zwei entscheidende Player: die Stadtwerke selbst und die Politik. Mit den Geschäftsführern der Stadtwerke, Till Noack und Martin Fürböck, hatten wir schon sehr früh Kontakt aufgenommen. Seit Gründung der Stadtwerke hatten Reinhard Guthke (1991-1994, für die CDU/DA-Fraktion), ich (GL, 2000-2009 für die Fraktion Bürger für Jena) und Martin Berger (2004 bis 2013 für die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen) Aufsichtsratsmandate der Stadtwerke wahrgenommen. 1990/91 war Reinhard Guthke als Vorsitzender des Stadtratsausschusses für Energie und Umweltschutz an der Gründung der Stadtwerke beteiligt. Martin Fürböck gehörte 2011 zu den 13 Gründungsmitgliedern der Genossenschaft. Die Stadtwerke sahen in der Bürgerbeteiligung einen Weg zur Kundengewinnung und Kundenbindung.

Und wie war es politisch?

MB: Wir dachten, eine Bürgerbeteiligung müsste doch jeder wollen. Aber für die wirtschaftsliberale Seite war eine Genossenschaft etwas Halbsozialistisches. Den Linken hingegen war eine Genossenschaft schon zu privat; sie sähen die Stadtwerke wohl am liebsten vollständig in öffentlicher Hand.

Wie wurden die Widerstände überwunden?

MB: Wir mussten um politische Mehrheiten ringen. Im Jenaer Koalitionsvertrag von SPD, CDU und Bündnis90/die Grünen vom Oktober 2009 hieß es: „Die Koalition strebt die teilweise Rekommunalisierung der Stadtwerke an. Diese bietet die Möglichkeit, die Bürger an den Stadtwerken zu beteiligen. Nach Möglichkeit sollten bis zu zehn Prozent der Stadtwerkeanteile in Zukunft im Rahmen einer Bürgerbeteiligung (z.B. genossenschaftlich) organisiert werden…“

GL: Dies war die Grundlage für einen Absichtsbeschluss des Stadtrats im August 2010 und Signal an uns Jenaerinnen und Jenaer, diese ziemlich einmalige Gelegenheit des Rückkaufs des 10%-Anteils der E.ON Thüringen Energie AG an den Stadtwerken beim Schopfe zu packen.

RG: Es folgte im November 2010 eine Podiumsdiskussion zur Bürgerbeteiligung an den Stadtwerken, zu der u.a. das noch heute aktive klimapolitische Netzwerk „Klimanetz Jena“ mit Prof. Dr. med. Joachim Misselwitz (später auch Gründungs- und Aufsichtsratsmitglied der Genossenschaft) ins Jenaer Rathaus einlud. Als Gast hatten wir den Ökostrom-Unternehmer Dr. med. Michael Sladek eingeladen, der uns als Mitbegründer der Bürgerinitiative „Energie in Bürgerhand“ (Freiburg/Br.) bekannt war. Anschließend bildete sich eine Gruppe von etwa 15 Personen, die die Genossenschaftsgründung vorbereiteten.

Warum eine Genossenschaft?

MB: Das ist vor allem ein demokratischer Grund. Es geht um Mitwirkung. Und es geht darum, Geld zu investieren. Und wenn man nicht will, dass jemand, der zwanzigmal so viel einzahlt wie ein anderer, auch zwanzigmal so starke Stimmgewalt hat, bleibt nur ein Modell: das der Genossenschaft. Ein Mensch, eine Stimme. Und noch ein Vorteil: Eine Genossenschaft kann Schritt für Schritt wachsen, Mitglied für Mitglied.

Die Gründung der Genossenschaft erfolgte am 30. März 2011 mit Gunther Lorenz und Martin Berger als Vorstände und Reinhard Guthke als Aufsichtsratsvorsitzenden. Mit welchem Ziel?

MB: Wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger direkten Einfluss darauf bekommen, wie die Energieversorgung der Zukunft in der Region aussehen soll. Wir wollten ein neues Modell der direkten und verantwortungsbewussten Teilhabe aufbauen.

GL: In die Satzung der Genossenschaft BürgerEnergie Jena haben wir als Zweck beschrieben: „…die wirtschaftliche Förderung ihrer Mitglieder durch gemeinschaftlichen Zweckbetrieb sowie die Förderung der sozialen und ökologischen Anliegen der Mitglieder und Nachhaltigkeit bei regionalen Versorgungsdienstleistungen“ und weiter: „... die Realisierung von Projekten einer sicheren, dezentralen und ökologischen, möglichst preisgünstigen Strom-, Gas- und Wärmeversorgung. Die Nutzung effizienter und dabei regenerativer Energiequellen sowie der sparsame Umgang mit Energie sollen durch Beratung der Mitglieder und andere Aktivitäten gefördert werden.“

Wurde das Ziel erreicht?

GL: Zum 1.1.2012 konnten 2% der Geschäftsanteile der SWEJP erworben werden. Der Kaufpreis in Höhe von 8,34 Millionen Euro war im Rahmen eines Stundungsvertrages bis spätestens 31.12.2014 durch die Genossenschaft aufzubringen. Das hat funktioniert: Im Laufe des Jahres 2014 konnte die letzte Einzahlung geleistet werden. Inzwischen hat die Genossenschaft über 850 Mitglieder.

RG: Seit 2012 ist die BürgerEnergie Jena eG Mitgesellschafter der Stadtwerke Energie. Gunther Lorenz vertritt unsere Genossenschaft in der Gesellschafterversammlung. Seit 2017 haben wir einen Sitz im Aufsichtsrat; dieses Mandat nehme ich wahr.

Läuft Bürgerbeteiligung nur über die Gesellschafterversammlung und den Aufsichtsrat?

RG: Das ist nur ein Aspekt von Mitwirkung. Alle Mitglieder und darüber hinaus alle Bürgerinnen und Bürger sind eingeladen zu den sogenannten BürgerEnergie-Treffen. Die nächste, nunmehr schon 37. derartige Veranstaltung ist schon fest geplant: Am Donnerstag, 24. Juni 2021 ab 19.30 Uhr im Rathaus (sofern die Pandemie das zulässt, sonst per Videokonferenz) mit dem Thema „CO2-neutrale Fernwärmeversorgung“. Die Geschäftsführung bzw. Mitarbeiter der Stadtwerke Jena Netze GmbH werden über den Stand der Arbeit am Konzept berichten, das bis Ende 2022 laut Thüringer Klimagesetz vorliegen muss.

GL: Jedes Jahr sind alle Mitglieder zur Generalversammlung eingeladen. Wegen der Pandemie kann diese Versammlung auch 2021 nicht als Präsenzveranstaltung stattfinden. Wir haben uns entschlossen, in diesem Jahr für unsere Mitglieder eine Videokonferenz für die Diskussionen am Montag, den 10. Mai 2021 ab 18 Uhr anzubieten. Die Mitglieder unserer Genossenschaft werden dazu mit den üblichen Unterlagen zum Jahresabschluss 2020 eine separate Einladung bekommen.

Und wie sieht es mit der in der Satzung genannten „Realisierung von Projekten“ aus?

RG: Wir hatten schon mehrere Anläufe zu eigenen Photovoltaik- und Windkraft-Projekten genommen. Bisher leider ohne Erfolg – aus verschiedenen Gründen. Seit einigen Jahren bemühen wir uns auch um Projekte im Bereich der Energiespeicher, die wichtig sind für das Gelingen der Energiewende. Gegenwärtig haben uns Mitglieder unserer Genossenschaft größere Dächer für gemeinsam zu realisierende Photovoltaik-Projekte angeboten. Das freut mich. Auf die Projektidee mit dem Hospiz hatte ich in der BürgerEnergie-Info vom 5. Februar hingewiesen. Diese prüfen wir gerade hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit. In den vergangenen Monaten haben sich 9 Mitglieder unserer Genossenschaft bereiterklärt, uns bei solchen Projekten zu unterstützen, wofür wir sehr dankbar sind. Wir klären nun neben den technischen und finanziellen Fragen auch strukturelle und rechtliche Fragen, um derartige Projekte zu realisieren.

GL: Bereits seit 2013 beteiligen wir uns an Photovoltaik- und Windkraftprojekten indirekt, nämlich durch unsere Beteiligung an 4 anderen, benachbarten Thüringer BürgerEnergie-Genossenschaften, die bereits viele derartige Projekte realisiert haben. Und wir laden unsere Genossenschaftsmitglieder ein, sich direkt an diesen anderen Genossenschaften und damit deren Projekten zu beteiligen.

Wann werden Aufsichtsräte und Vorstände der BürgerEnergie Jena neu bestimmt?

RG: Alle Mitglieder unserer Genossenschaft werden in der Generalversammlung im nächsten Jahr, 2022, die Gelegenheit bekommen, die Aufsichtsräte neu zu wählen – und gern auch selbst für dieses Amt zu kandidieren. Der Vorstand wird durch den Aufsichtsrat bestellt. Die laufende Amtszeit der Vorstände Grit Häkanson-Hall und Gunther Lorenz, endet am 30. Juni dieses Jahres, also in 3 Monaten. Wir als Aufsichtsrat (in alphabetischer Folge: M. Berger, C. Gerlitz, J. Graubner, R. Guthke, E.Hertzsch, M. Stüwe) freuen uns, dass es uns gelungen ist, den Vorstand für die Zeit ab 1. Juli bereits bestellt zu haben: Grit Häkanson-Hall und Bernd Rudolph.

GL: Ich habe mich entschieden, nach 10 Jahren Vorstandstätigkeit nicht erneut für den Vorstand zu kandidieren. Ich habe die Aufgabe sehr gern wahrgenommen. Aber da ich vor einem Jahr eine neue Aufgabe, nämlich als Vorstand der Stiftung „Haus der Jugend und Technik“, übernommen habe, möchte ich mich auf diese neue Aufgabe ganz konzentrieren.

RG: Ich danke Gunther Lorenz für 10 Jahre Vorstandstätigkeit im Dienst der BürgerEnergie Jena eG von Herzen. Neben ihm gehörten dem Vorstand nacheinander an: Martin Berger, Ralf Lang, Angelika Wilfling, Thomas Burkhardt und jetzt Grit Häkanson-Hall. Und Helga Lorenz hat in den ersten Jahren viel Arbeit übernommen. Während der 10 Jahre haben sie und alle Vorstandsmitglieder in der Genossenschaft viel mit Erfolg bewegt, wofür ich ihnen im Namen des Aufsichtsrats auch auf diesem Wege danken möchte.

Und für seine neue Aufgabe wünsche ich Gunther Lorenz ebensolchen Erfolg. Außerdem freue ich mich sehr, dass es uns gelungen ist, rechtzeitig einen Nachfolger zu bestellen: Bernd Rudolph. Bernd Rudolph hat von 1997 bis zu seiner Emeritierung eine Professur für Analytische Chemie an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena innegehabt. Er hat vorrangig im Rahmen umwelttechnischer Studiengänge die Schwerpunkte Umweltanalytik, Umweltchemie, Physikalische und Elektrochemie in Lehre und Forschung vertreten. Das Studium der Chemie in Jena und Dresden hatte er 1984 mit einer Diplomarbeit auf dem Gebiet der Elektrochemie abgeschlossen. Fünf Jahre danach wurde er an der Jenaer Universität mit seiner Dissertation zur Entwicklung von Lithiumbatterien promoviert. Bis zur Berufung an die Ernst-Abbe-Hochschule war Bernd Rudolph wissenschaftlicher Mitarbeiter bzw. Referatsleiter am Institut für Pflanzenernährung und Ökotoxikologie und später der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft Jena. Wir freuen uns, einen fachlich so profilierten Vorstand für die BürgerEnergie Jena gewonnen zu haben. Während Grit Häkanson-Hall als studierte Betriebswirtin die kaufmännischen Belange im Vorstand weiterhin vertreten wird, wird Bernd Rudolph für die technische Entwicklung und Prüfung von Projekten „einer sicheren, dezentralen und ökologischen, möglichst preisgünstigen Strom-, Gas- und Wärmeversorgung“ – wie es in unserer Satzung heißt – verantwortlich sein. Ein herzliches Willkommen an Bernd Rudolph!

Ihnen, unseren Mitgliedern, danken wir für Ihr Vertrauen und Ihre Unterstützung in den vergangenen 10 Jahren und hoffen auch zukünftig auf ein gutes, erfolgreiches Miteinander. Mit besten Grüßen verbleiben wir

Reinhard Guthke und Martin Berger, Aufsichtsräte

Gunther Lorenz, Vorstand der BürgerEnergie Jena eG

Jena, 30. März 2021

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